Bioidentische Hormone in den Wechseljahren: Was Sie als Frau wissen sollten

Viele Frauen in den Wechseljahren wünschen sich eine Hormontherapie, die sich natürlich anfühlt und gut verträglich ist. Dabei fällt häufig der Begriff „bioidentische Hormone“. Doch was bedeutet das eigentlich genau? Sind bioidentische Hormone wirklich natürlicher oder pflanzlicher als andere Hormone? Und sind sie automatisch die bessere Wahl?

Diese Fragen beschäftigen zahlreiche Frauen, die sich mit dem Thema Hormonersatztherapie auseinandersetzen. Die Begriffe „bioidentisch“, „natürlich“, „pflanzlich“ und „synthetisch“ werden oft synonym verwendet, obwohl sie sehr unterschiedliche Dinge bedeuten. Das führt zu Verwirrung und manchmal auch zu falschen Erwartungen.

In unserer Sprechstunde erleben wir diese Unsicherheit täglich. Viele Patientinnen haben bereits von bioidentischen Hormonen gehört und verbinden damit positive Eigenschaften. Doch oft herrscht Unklarheit darüber, was sich tatsächlich hinter diesem Begriff verbirgt. Im Folgenden erklären wir verständlich, was bioidentische Hormone wirklich sind, wie sie hergestellt werden und wodurch sie sich von anderen Hormonen unterscheiden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Bioidentisch bedeutet: Die Hormone haben die gleiche chemische Struktur wie Ihre körpereigenen Hormone. Viele Standardpräparate aus der Apotheke sind bereits bioidentisch.
  • Bioidentisch ist nicht gleichbedeutend mit natürlich, pflanzlich oder besser. Der Begriff beschreibt nur die Molekülstruktur, nicht die Herkunft oder Sicherheit.
  • Auch bioidentische Hormone haben Risiken und Nebenwirkungen. Die Sicherheit hängt von der Anwendungsform, Dosierung, Dauer und Ihrer individuellen Gesundheitssituation ab.
  • Die Entscheidung für oder gegen eine Hormontherapie erfolgt individuell im Gespräch mit Ihrer Frauenärztin, die Ihre persönliche Situation berücksichtigt.

Sind bioidentische Hormone besser oder sicherer?

Diese Frage bekommen wir in unserer Praxis sehr häufig gestellt. Die klare Antwort lautet: Nein, bioidentische Hormone sind nicht automatisch besser, sicherer oder natürlicher als andere Hormonpräparate.

Der Begriff „bioidentisch“ wird oft missverstanden. Er bedeutet lediglich, dass die chemische Struktur des Hormons mit der Struktur Ihrer körpereigenen Hormone übereinstimmt. Das klingt zunächst vorteilhaft, doch in Deutschland sind die meisten verschreibungspflichtigen Hormonpräparate bereits bioidentisch. Es handelt sich also nicht um eine besondere oder alternative Therapieform, sondern um den medizinischen Standard.

Worauf es bei der Hormontherapie ankommt

Für die Sicherheit und Verträglichkeit einer Hormontherapie sind andere Faktoren wichtiger als die Frage „bioidentisch oder nicht“:

  • Die Anwendungsform macht einen Unterschied. Studien zeigen, dass die Anwendung über die Haut (als Gel oder Pflaster) beim Thromboserisiko Vorteile gegenüber der Einnahme als Tablette haben kann.
  • Die Dosierung muss individuell angepasst sein. Eine zu hohe Dosierung kann Nebenwirkungen verursachen, eine zu niedrige hilft nicht ausreichend gegen Beschwerden.
  • Ihre persönliche Gesundheitssituation ist entscheidend. Vorerkrankungen, Familiengeschichte, Alter und weitere Faktoren beeinflussen, welche Therapieform für Sie geeignet ist.
  • Die Qualität des Präparats spielt eine Rolle. Zugelassene Fertigarzneimittel haben standardisierte Studien durchlaufen, während individuell angemischte Rezepturen schwankende Dosierungen aufweisen können.

Individuelle Beratung statt Pauschalempfehlungen

Es gibt nicht „die eine beste Hormontherapie“ für alle Frauen. Entscheidend ist die individuelle Beratung durch Ihre Frauenärztin, die Ihre persönliche Situation, Ihre Beschwerden und Ihre Risikofaktoren berücksichtigt. Bioidentische Hormone sind dabei eine Option unter mehreren, aber keine automatisch überlegene Lösung.

Eine individuelle Beratung durch die Frauenärztin ist der erste Schritt zur passenden Hormontherapie (Symbolbild: Ideogram).

Wann kann eine Hormontherapie sinnvoll sein?

Viele Frauen in den Wechseljahren erleben körperliche Veränderungen, die ihre Lebensqualität beeinträchtigen können. Die Hormonersatztherapie ist laut medizinischen Leitlinien die wirksamste Behandlung bei bestimmten Beschwerden.

Typische Beschwerden in den Wechseljahren

Zu den häufigsten Beschwerden, bei denen Frauen eine Hormontherapie in Erwägung ziehen, gehören:

  • Hitzewallungen und Schweißausbrüche, die oft auch nachts auftreten und den Schlaf stören. Diese sogenannten vasomotorischen Symptome betreffen viele Frauen und können die Lebensqualität erheblich einschränken.
  • Schlafstörungen, die nicht nur durch nächtliche Hitzewallungen verursacht werden, sondern auch direkt mit hormonellen Veränderungen zusammenhängen können.
  • Stimmungsschwankungen und depressive Verstimmungen, die in der Phase der hormonellen Umstellung auftreten können.
  • Scheidentrockenheit und Beschwerden beim Geschlechtsverkehr, die durch den Östrogenmangel entstehen und das Wohlbefinden beeinträchtigen können.

Was die medizinischen Leitlinien sagen

Die deutsche S3-Leitlinie „Peri- und Postmenopause“ nennt vasomotorische Beschwerden wie Hitzewallungen als Hauptindikation für eine systemische Hormontherapie. Bei ausschließlich lokalen Beschwerden im Intimbereich kann eine lokale Östrogenbehandlung ausreichend sein.

Wichtig ist: Nicht jede Frau in den Wechseljahren benötigt eine Hormontherapie. Viele Frauen haben nur leichte Beschwerden oder kommen gut ohne Behandlung zurecht. Die Entscheidung hängt immer davon ab, wie stark die Beschwerden sind und wie sehr sie den Alltag beeinträchtigen.

Hormonersatztherapie – ja oder nein?

Ob eine Hormontherapie für Sie persönlich geeignet ist, lässt sich nur im ausführlichen Gespräch mit Ihrer Frauenärztin klären. Dabei werden verschiedene Faktoren berücksichtigt, etwa Ihre aktuelle Gesundheitssituation, Ihre Familiengeschichte, bestehende Erkrankungen und Ihre persönlichen Wünsche und Bedenken.

In unserer gynäkologischen Praxis nehmen wir uns Zeit für diese individuelle Beratung. Wir besprechen mit Ihnen gemeinsam die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten und finden die Lösung, die am besten zu Ihrer Lebenssituation passt.

Was sind bioidentische Hormone?

Der Begriff „bioidentisch“ bezieht sich auf die chemische Struktur eines Hormons. Ein Hormon gilt als bioidentisch, wenn seine Molekülstruktur exakt mit der Struktur übereinstimmt, die das entsprechende Hormon im menschlichen Körper von Natur aus hat. Anders ausgedrückt: Bioidentische Hormone sind körperidentisch oder strukturgleich mit den Hormonen, die beispielsweise in den Eierstöcken einer Frau produziert werden.

Diese Übereinstimmung in der chemischen Formel bedeutet, dass der Körper bioidentische Hormone genauso erkennen und verarbeiten kann wie seine eigenen Hormone. Sie passen exakt zu den Hormonrezeptoren in den Zellen und entfalten dort die gleiche Wirkung wie die körpereigenen Botenstoffe.

Im Gegensatz dazu haben synthetische Hormone eine leicht veränderte chemische Struktur. Obwohl sie den körpereigenen Hormonen ähneln und eine hormonelle Wirkung haben, unterscheiden sie sich in feinen Details ihrer Molekülstruktur. Diese strukturellen Unterschiede können sich auf die Wirkung und das Nebenwirkungsprofil auswirken.

Wissenschaftlerin untersucht Hormonproben im pharmazeutischen Labor
Die Herstellung bioidentischer Hormone erfolgt in spezialisierten Laboren unter strengen Qualitätskontrollen (Symbolbild: Ideogram).

Die wichtigsten bioidentischen Hormone

In der Hormonersatztherapie bei Wechseljahresbeschwerden spielen vor allem zwei bioidentische Hormone eine zentrale Rolle:

  • 17-beta-Estradiol ist das Hauptöstrogen und damit das wichtigste weibliche Geschlechtshormon, das Frauen in ihren fruchtbaren Jahren in den Eierstöcken bilden. Es ist das biologisch aktivste Östrogen im weiblichen Körper und spielt eine wichtige Rolle für zahlreiche Körperfunktionen.
  • Progesteron ist das sogenannte Gelbkörperhormon, das bei Frauen in der zweiten Zyklushälfte gebildet wird. Aufgrund seiner Funktionen bei der Schwangerschaftsvorbereitung und Schwangerschaftserhaltung wird Progesteron auch als natürliches Gestagen bezeichnet.

In Deutschland wird in der Hormonersatztherapie überwiegend bioidentisches Estradiol eingesetzt. Das bedeutet, dass viele Standardpräparate aus der Apotheke bereits bioidentische Hormone enthalten. Dies ist keine Besonderheit spezieller Therapieformen, sondern entspricht dem medizinischen Standard.

Missverständnisse über bioidentische Hormone

Die Begriffe rund um Hormone und ihre Herkunft führen häufig zu Verwirrung. Viele Frauen bringen den Begriff „bioidentisch“ mit Eigenschaften wie „natürlich“, „pflanzlich“ oder „risikofrei“ in Verbindung. Diese Annahmen sind jedoch nicht korrekt. Im Folgenden klären wir die wichtigsten Missverständnisse auf.

Bioidentisch bedeutet nicht natürlich oder pflanzlich

Der Begriff „bioidentisch“ bezieht sich ausschließlich auf die chemische Struktur eines Hormons. Er sagt nichts darüber aus, wie oder woraus das Hormon hergestellt wurde. Ein bioidentisches Hormon kann durchaus im Labor synthetisch hergestellt worden sein und ist dennoch bioidentisch, solange seine Molekülstruktur mit der des körpereigenen Hormons übereinstimmt.

  • Natürlich bedeutet hingegen, dass ein Stoff in der Natur vorkommt.
  • Pflanzlich beschreibt die Herkunft aus Pflanzen.

Diese Begriffe haben mit der Frage, ob ein Hormon bioidentisch ist, zunächst nichts zu tun.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Auch synthetisch im Labor hergestellte Hormone können bioidentisch sein, wenn sie die gleiche chemische Struktur wie körpereigene Hormone haben. Umgekehrt sind nicht alle pflanzlichen Stoffe automatisch bioidentisch mit menschlichen Hormonen.

Phytohormone oder Phytoöstrogene sind pflanzliche Stoffe, die eine hormonähnliche Wirkung haben können. Sie sind jedoch nicht strukturgleich mit den menschlichen Hormonen und daher nicht bioidentisch. Beispiele sind Isoflavone aus Soja oder Rotklee.

Aus pflanzlichen Ausgangsstoffen wie der Yamswurzel werden im Labor bioidentische Hormone hergestellt (Symbolbild: Ideogram).

Die Yamswurzel enthält kein fertiges Progesteron

Dies ist eines der hartnäckigsten Missverständnisse. Die Yamswurzel wird häufig als natürliche Quelle für Progesteron bezeichnet. Tatsächlich enthält die Yamswurzel jedoch kein fertiges Progesteron, sondern einen Pflanzenstoff namens Diosgenin.

Diosgenin gehört zu den Phytohormonen und hat eine gewisse hormonähnliche Wirkung. Es ist jedoch in seiner chemischen Struktur nicht identisch mit Progesteron. Der menschliche Körper kann Diosgenin nicht selbstständig in Progesteron umwandeln oder verstoffwechseln.

Um aus Diosgenin bioidentisches Progesteron herzustellen, ist ein aufwendiges Laborverfahren notwendig. In mehreren chemischen Schritten wird die Molekülstruktur so verändert, dass am Ende ein Hormon entsteht, das strukturgleich mit dem körpereigenen Progesteron ist. Ähnlich verhält es sich mit Stigmasterin aus der Sojabohne, das ebenfalls als Ausgangsstoff für die Hormonherstellung dienen kann.

Das bedeutet: Yamswurzel-Präparate oder Cremes, die nur den natürlichen Pflanzenextrakt enthalten, wirken nicht wie bioidentisches Progesteron und können eine ärztlich verordnete Hormontherapie nicht ersetzen.

Rotklee enthält Isoflavone, das sind pflanzliche Stoffe mit hormonähnlicher Wirkung, die jedoch nicht mit bioidentischen Hormonen gleichzusetzen sind (Symbolbild: Ideogram).

Bioidentische Hormone sind nicht risikofrei

Auch wenn bioidentische Hormone in ihrer Struktur den körpereigenen Hormonen entsprechen, bedeutet das nicht, dass sie automatisch frei von Risiken oder Nebenwirkungen sind. Jede Form der Hormontherapie, unabhängig davon ob mit bioidentischen oder synthetischen Hormonen, kann Auswirkungen auf den Körper haben.

Die Sicherheit einer Hormontherapie hängt von vielen individuellen Faktoren ab, etwa von der Anwendungsdauer, der Dosierung, der Art der Anwendung und den persönlichen Risikofaktoren der einzelnen Frau. Auch bioidentische Hormone müssen sorgfältig dosiert und regelmäßig ärztlich überwacht werden.

Begriffe auf einen Blick

Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Begriffe und ihre Bedeutung zusammen:

BegriffBedeutungWas es NICHT bedeutet
BioidentischChemische Struktur ist identisch mit körpereigenen Hormonen≠ pflanzlich, ≠ natürlich vorkommend, ≠ risikofrei
Körpereigen/körperidentischSynonym für bioidentisch≠ vom eigenen Körper produziert
SynthetischIm Labor hergestellt≠ automatisch nicht bioidentisch, ≠ schlechter
PflanzlichAus Pflanzen gewonnen oder hergestellt≠ bioidentisch, ≠ nebenwirkungsfrei
NatürlichIn der Natur vorkommend≠ bioidentisch, ≠ besser verträglich
PhytohormonePflanzliche Stoffe mit hormonähnlicher Wirkung≠ strukturgleich mit menschlichen Hormonen

Diese Begriffsklärung ist wichtig, um realistische Erwartungen an eine Hormontherapie zu haben und informierte Entscheidungen treffen zu können.

Herstellung von bioidentischen Hormonen

Die Herstellung bioidentischer Hormone ist ein pharmazeutischer Prozess im Labor. Entgegen der weitverbreiteten Annahme werden bioidentische Hormone nicht einfach aus Pflanzen extrahiert, sondern chemisch synthetisiert.

Als Ausgangsmaterial dienen pflanzliche Vorstufen wie Diosgenin aus der Yamswurzel oder Stigmasterin aus der Sojabohne. Diese Pflanzenstoffe haben selbst keine hormonelle Wirkung im menschlichen Körper. In mehreren chemischen Schritten wird ihre Molekülstruktur so verändert, dass am Ende ein Hormon entsteht, das strukturgleich mit dem körpereigenen Hormon ist.

Die Herstellung bioidentischer Hormone erfolgt in hochmodernen pharmazeutischen Produktionsanlagen unter strengsten Qualitätsstandards (Symbolbild: Ideogram).

Zugelassene Präparate versus individuelle Rezepturen

Bei bioidentischen Hormonen ist es wichtig, zwischen zwei verschiedenen Produktgruppen zu unterscheiden:

Zugelassene Fertigarzneimittel sind standardisierte Präparate, die ein behördliches Zulassungsverfahren durchlaufen haben. Diese Arzneimittel wurden in klinischen Studien auf Wirksamkeit und Sicherheit geprüft. Die meisten in Deutschland verwendeten Hormonpräparate gehören zu dieser Kategorie.

Individuell angemischte Rezepturen werden in Apotheken nach ärztlicher Verordnung speziell für eine einzelne Patientin hergestellt. Diese sogenannten Magistralrezepturen unterliegen nicht den gleichen Zulassungsanforderungen wie Fertigarzneimittel.

Internationale Fachgesellschaften wie die North American Menopause Society (NAMS) und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) weisen in ihren Leitlinien darauf hin, dass bei verfügbaren zugelassenen Präparaten diese zu bevorzugen sind. So lässt sich die Therapie besser steuern und die Qualität ist gewährleistet.

Wichtig zu wissen

Auch bioidentische Hormone aus zugelassenen Präparaten sind synthetisch hergestellt. Der Begriff „bioidentisch“ beschreibt ausschließlich die chemische Struktur des Endprodukts, nicht den Herstellungsweg.

Anwendungsformen: Gel, Pflaster oder Tablette

Bioidentische Hormone können auf verschiedene Arten angewendet werden. Jede Anwendungsform hat spezifische pharmakologische Eigenschaften, die sich auf die Aufnahme, Verteilung und Wirkung im Körper auswirken. Im Folgenden werden die wichtigsten Darreichungsformen beschrieben.

Transdermale Anwendung (über die Haut)

Bei der transdermalen Anwendung werden Hormone über die Haut aufgenommen. Dies geschieht hauptsächlich durch zwei Darreichungsformen:

  • Hormonpflaster werden auf die Haut geklebt und geben kontinuierlich Hormone ab. Die Pflaster werden üblicherweise ein- bis zweimal pro Woche gewechselt. Sie werden auf Hautareale wie Hüfte, Gesäß oder Unterbauch aufgebracht, die sauber, trocken und unverletzt sein sollten.
  • Hormonge wird täglich auf eine größere Hautfläche aufgetragen, vorzugsweise auf Arme, Schultern oder Oberschenkel. Nach dem Auftragen muss das Gel vollständig trocknen, bevor Kleidung übergezogen wird. Die Anwendung sollte zur gleichen Tageszeit erfolgen.

Was ist der First-Pass-Effekt?

Die transdermale Anwendung hat eine Besonderheit: Sie umgeht den sogenannten First-Pass-Effekt. Dieser Begriff beschreibt den Abbau von Wirkstoffen bei ihrer ersten Passage durch die Leber, nachdem sie über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen wurden. Bei der Aufnahme über die Haut gelangen die Hormone direkt ins Blut und erreichen die Leber erst mit dem allgemeinen Blutkreislauf.

Diese Umgehung der Leber hat pharmakologische Konsequenzen. Die Hormone werden nicht sofort in der Leber verstoffwechselt, was die Bioverfügbarkeit erhöht. Dieser Fachbegriff beschreibt, welcher Anteil eines Wirkstoffs tatsächlich im Blutkreislauf ankommt und dort wirken kann. Bei transdermaler Anwendung ist in der Regel eine niedrigere Dosierung erforderlich, um die gleiche Wirkung zu erzielen.

In der medizinischen Fachliteratur wird die transdermale Anwendung von Estradiol häufig untersucht. Verschiedene große Beobachtungsstudien wie die französische ESTHER-Studie und die E3N-Kohortenstudie haben sich mit den Eigenschaften dieser Anwendungsform beschäftigt.

Die tägliche Anwendung von Hormongel lässt sich einfach in die Morgenroutine integrieren (Symbolbild: Ideogram).

Orale Anwendung (Kapseln oder Tabletten)

Bei der oralen Anwendung werden Hormone in Form von Kapseln oder Tabletten eingenommen. Sie passieren den Magen-Darm-Trakt und werden dort aufgenommen.

  • Estradiol kann oral eingenommen werden, durchläuft dann aber den bereits erwähnten First-Pass-Effekt in der Leber. Das bedeutet, dass ein Teil des Wirkstoffs bereits beim ersten Durchgang durch die Leber verstoffwechselt wird. Dies beeinflusst verschiedene Leberproteine und Gerinnungsfaktoren.
  • Mikronisiertes Progesteron ist für die orale Anwendung verfügbar. Der Begriff „mikronisiert“ bedeutet, dass das Hormon zu sehr feinen Partikeln verarbeitet wurde. Diese spezielle Aufbereitung war notwendig, weil Progesteron in seiner ursprünglichen Form im Magen-Darm-Trakt zu schnell abgebaut wird und der Körper es nicht aufnehmen kann. Erst durch die Mikronisierung, also die Zerklei nerung in winzige Teilchen, wurde eine wirksame orale Einnahme von Progesteron möglich.

Für die orale Anwendung von Progesteron gibt es verschiedene Dosierungen. Die genaue Dosierung legt Ihre Frauenärztin fest und hängt davon ab, ob die Hormone durchgehend oder nur an bestimmten Tagen im Monat eingenommen werden.

Besonderheiten bei der Anwendung von Progesteron

Eine wichtige Einschränkung betrifft die transdermale Anwendung von Progesteron. Anders als Estradiol wird Progesteron nicht zuverlässig über die Haut aufgenommen. Die Resorption, also die Aufnahme des Wirkstoffs durch die Haut ins Blut, ist bei Progesteron nicht ausreichend.

Dies hat praktische Konsequenzen: Progesteron-haltige Cremes oder Gele, die auf die Haut aufgetragen werden, erreichen keine ausreichenden Wirkspiegel im Blut. Sie können daher nicht zum Schutz der Gebärmutterschleimhaut eingesetzt werden, wenn gleichzeitig Östrogene angewendet werden.

In wissenschaftlichen Untersuchungen wurde gezeigt, dass die vaginale Anwendung von Progesteron eine bessere Aufnahme ermöglicht als die Hautanwendung. Allerdings ist mikronisiertes Progesteron in Deutschland für die Hormonersatztherapie nur in oraler Form zugelassen.

Mikronisiertes Progesteron ist in Deutschland für die Hormonersatztherapie ausschließlich in oraler Form als Kapsel zugelassen (Symbolbild: Ideogram).

Pharmakologische Unterschiede in der Übersicht

Die verschiedenen Anwendungsformen unterscheiden sich in mehreren Aspekten:

Die Aufnahmegeschwindigkeit variiert je nach Darreichungsform. Transdermale Pflaster geben Hormone kontinuierlich ab, während bei oraler Einnahme Hormonspiegel zunächst ansteigen und dann wieder abfallen.

Die Verstoffwechselung in der Leber erfolgt unterschiedlich. Oral aufgenommene Hormone durchlaufen den First-Pass-Effekt, transdermal angewendete umgehen ihn zunächst.

Die erforderliche Dosierung kann sich unterscheiden. Aufgrund der höheren Bioverfügbarkeit sind bei transdermaler Anwendung oft niedrigere Dosen ausreichend.

Wichtig zu wissen

Die Wahl der Anwendungsform erfolgt individuell in Absprache mit der behandelnden Frauenärztin. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, etwa persönliche Vorlieben, Hautverträglichkeit, bestehende Erkrankungen und individuelle Risikofaktoren. Es gibt nicht die eine „richtige“ Anwendungsform für alle Frauen.

Was sagen Studien zu bioidentischen Hormonen?

Die wissenschaftliche Forschung zur Hormonersatztherapie hat in den letzten Jahrzehnten bedeutende Erkenntnisse hervorgebracht. Für Frauen, die sich mit dem Thema bioidentische Hormone beschäftigen, sind vor allem einige grundlegende Fakten wichtig.

Bioidentische Hormone sind gut erforscht

In Deutschland wird überwiegend bioidentisches Estradiol in der Hormonersatztherapie eingesetzt. Dies entspricht dem medizinischen Standard und ist keine Besonderheit alternativer Behandlungsformen. Die deutsche S3-Leitlinie „Peri- und Postmenopause“ von 2020 bestätigt, dass die Hormonersatztherapie die wirksamste Behandlung bei belastenden Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen ist.

Transdermale Anwendung reduziert Thromboserisiko

Große Studien aus Frankreich und Großbritannien haben gezeigt, dass die Anwendung von Estradiol über die Haut (als Gel oder Pflaster) im Vergleich zur Einnahme als Tablette Vorteile beim Thromboserisiko hat. Die französische ESTHER-Studie beispielsweise zeigte, dass bei transdermaler Anwendung kein erhöhtes Thromboserisiko feststellbar war, während bei oraler Einnahme das Risiko deutlich anstieg. Die transdermale Anwendung umgeht die Leber beim ersten Durchgang, was sich günstig auf bestimmte Stoffwechselprozesse auswirkt.

Progesteron schützt die Gebärmutterschleimhaut

Frauen mit Gebärmutter benötigen neben Östrogen auch ein Gestagen zum Schutz der Gebärmutterschleimhaut. Studien haben gezeigt, dass bioidentisches Progesteron (in einer speziell aufbereiteten Form, die der Körper gut aufnehmen kann) diesen Schutz zuverlässig bietet, wenn es in der richtigen Dosierung angewendet wird.

Jede Hormontherapie hat Nutzen und Risiken

Wichtig zu verstehen ist: Auch bioidentische Hormone sind keine risikofreie Behandlung. Wie bei jeder medizinischen Therapie müssen Nutzen und mögliche Risiken individuell abgewogen werden. Faktoren wie Alter, Dauer der Anwendung, persönliche Krankengeschichte und Familienanamnese spielen dabei eine Rolle.

Ihre Beratung beim Oldenburger Frauenarzt

Bei Oldenburger Frauenarzt Dr. med. Jana Stindt legen wir großen Wert auf eine umfassende und einfühlsame Beratung zu allen Fragen rund um die Wechseljahre. Wir nehmen uns Zeit, Ihre persönliche Situation zu verstehen, Ihre Beschwerden ernst zu nehmen und gemeinsam mit Ihnen die beste Lösung zu finden.

Sie haben Fragen zu bioidentischen Hormonen oder möchten sich zu Ihren Wechseljahresbeschwerden beraten lassen? Vereinbaren Sie einen Termin zur individuellen Beratung. Nutzen Sie unsere Online-Terminbuchung oder rufen Sie uns unter 0441 42091 an. Ihr Team der Praxis Oldenburger Frauenarzt freut sich darauf, Sie zu unterstützen.

Aufsteller mit der Aufschrift FAQ in einer Arztpraxis

FAQ – Häufige Fragen

Bioidentische Hormone sind nicht automatisch sicherer oder risikoärmer als andere Hormonpräparate. Der Begriff „bioidentisch“ bezieht sich nur auf die chemische Struktur, nicht auf die Sicherheit. Wichtiger für das Risikoprofil sind Faktoren wie die Anwendungsform (transdermal oder oral), die Dosierung, die Anwendungsdauer und Ihre persönlichen Risikofaktoren. Ihre Frauenärztin bespricht mit Ihnen, welche Therapieform für Sie am besten geeignet ist.

Hormonpräparate für die Wechseljahre sind verschreibungspflichtig und erfordern eine ärztliche Verordnung. Dies dient Ihrer Sicherheit, denn eine Hormontherapie muss individuell angepasst und regelmäßig kontrolliert werden. Frei verkäufliche Produkte mit Pflanzenextrakten (wie Yamswurzel-Cremes) enthalten kein wirksames bioidentisches Progesteron und können eine ärztlich verordnete Therapie nicht ersetzen.

Nein, eine lebenslange Einnahme ist nicht erforderlich. Die Dauer einer Hormontherapie richtet sich nach Ihren Beschwerden und Ihrer persönlichen Situation. Viele Frauen nehmen Hormone nur für einige Jahre während der stärksten Wechseljahresbeschwerden. Die Therapiedauer wird regelmäßig gemeinsam mit Ihrer Frauenärztin überprüft und angepasst.

Grundsätzlich ja, aber es ist sinnvoll, das Absetzen mit Ihrer Frauenärztin zu besprechen. Manchmal ist ein schrittweises Ausschleichen günstiger als ein abruptes Absetzen. Nach dem Beenden können Wechseljahresbeschwerden vorübergehend wieder auftreten. Ihre Frauenärztin begleitet Sie beim Absetzen und findet gemeinsam mit Ihnen den besten Weg.

Zugelassene Hormonpräparate werden in der Regel von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet, wenn eine medizinische Indikation vorliegt. Individuell in der Apotheke angemischte Rezepturen (Magistralrezepturen) müssen Sie möglicherweise selbst bezahlen. Ihre Frauenärztin informiert Sie über die Kosten und bespricht mit Ihnen, welche Optionen für Sie infrage kommen.

Nein, Studien zeigen, dass eine Hormontherapie nicht zu einer Gewichtszunahme führt. Die Gewichtszunahme, die viele Frauen in den Wechseljahren erleben, ist Teil des natürlichen Alterungsprozesses und nicht durch die Hormone verursacht. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass eine Hormontherapie der ungünstigen Fettverteilung in der Bauchregion entgegenwirken kann.

Glossar – Wichtige Fachbegriffe erklärt

  • 17-beta-Estradiol: Das biologisch aktivste und wichtigste Östrogen im weiblichen Körper. Es wird in den Eierstöcken gebildet und spielt eine zentrale Rolle für zahlreiche Körperfunktionen.
  • Bioidentisch: Bezeichnet Hormone, deren chemische Struktur exakt mit der Struktur der körpereigenen Hormone übereinstimmt. Der Begriff sagt nichts über die Herstellung oder Herkunft aus.
  • Bioverfügbarkeit: Beschreibt, welcher Anteil eines Wirkstoffs tatsächlich im Blutkreislauf ankommt und dort wirken kann. Bei transdermaler Anwendung ist die Bioverfügbarkeit oft höher als bei oraler Einnahme.
  • Diosgenin: Ein pflanzlicher Stoff aus der Yamswurzel, der als Ausgangsmaterial für die Herstellung von bioidentischem Progesteron dient. Diosgenin selbst hat keine hormonelle Wirkung im menschlichen Körper.
  • Endometrium: Die Gebärmutterschleimhaut. Bei einer Hormontherapie muss das Endometrium durch die Zugabe von Gestagenen vor übermäßigem Wachstum geschützt werden.
  • Estradiol: Siehe 17-beta-Estradiol.
  • First-Pass-Effekt: Der Abbau von Wirkstoffen bei ihrer ersten Passage durch die Leber nach oraler Einnahme. Transdermale Anwendung umgeht diesen Effekt.
  • Gestagen: Oberbegriff für Hormone mit Gelbkörperhormon-Wirkung. Progesteron ist das natürliche Gestagen, daneben gibt es synthetische Gestagene.
  • Hormonersatztherapie (HRT): Behandlung mit Hormonen zur Linderung von Wechseljahresbeschwerden. Sie kann mit Östrogenen allein oder in Kombination mit Gestagenen erfolgen.
  • Magistralrezeptur: Ein individuell in der Apotheke für eine einzelne Patientin angemischtes Präparat. Diese Rezepturen unterliegen nicht den gleichen Zulassungsanforderungen wie Fertigarzneimittel.
  • Menopause: Der Zeitpunkt der letzten Regelblutung im Leben einer Frau. Im Durchschnitt tritt sie mit etwa 51 Jahren ein.
  • Mikronisiert: Bezeichnet die Verarbeitung eines Wirkstoffs zu sehr feinen Partikeln. Bei Progesteron war diese spezielle Aufbereitung notwendig, damit der Körper es nach oraler Einnahme aufnehmen kann.
  • Phytohormone: Pflanzliche Stoffe mit hormonähnlicher Wirkung, die jedoch nicht strukturgleich mit menschlichen Hormonen sind. Beispiele sind Isoflavone aus Soja oder Rotklee.
  • Progesteron: Das natürliche Gelbkörperhormon, das in der zweiten Zyklushälfte gebildet wird. In der Hormontherapie schützt es die Gebärmutterschleimhaut.
  • S3-Leitlinie: Die höchste Qualitätsstufe medizinischer Leitlinien in Deutschland. Sie basiert auf systematischer Recherche der wissenschaftlichen Evidenz und wird von Fachgesellschaften erstellt.
  • Stigmasterin: Ein pflanzlicher Stoff aus der Sojabohne, der als Ausgangsmaterial für die Hormonherstellung dienen kann. Ähnlich wie Diosgenin hat Stigmasterin selbst keine hormonelle Wirkung.
  • Transdermal: Über die Haut. Bei transdermaler Anwendung werden Hormone als Gel oder Pflaster auf die Haut aufgetragen und gelangen von dort ins Blut.
  • Vasomotorische Beschwerden: Medizinischer Fachbegriff für Hitzewallungen und Schweißausbrüche, die typische Wechseljahresbeschwerden darstellen.
  • Wechseljahre: Der Übergang von der fruchtbaren zur nicht mehr fruchtbaren Lebensphase einer Frau. Diese Phase kann mehrere Jahre dauern und wird medizinisch in Perimenopause, Menopause und Postmenopause unterteilt.
  • Yamswurzel: Eine Pflanze, aus der der Ausgangsstoff Diosgenin für die Herstellung von bioidentischem Progesteron gewonnen wird. Die Yamswurzel selbst enthält kein fertiges Progesteron.